Montag, 18. August 2014

Wichtige Achsen haben Vorrang

Naturgefahren werden wohl augrund des Klimawandels in Zukunft anwachsen. Beim Bau neuer Schutzbauten sollte aber der künftige Sanierungsaufwand nicht vergessen gehen.

Das Zugunglück bei Tiefencastel hat vor allem etwas gezeigt: Es gibt keinen absoluten Schutz vor Natur­gefahren. Zwar können Tunnel, Stützmauern und Galerien exponierte Passagen sicherer machen. Doch potenzielle Gefahrenstellen sind selbst für Experten oft nur schwer erkennbar. Beunruhigend: Ihre Zahl wird in den kommenden Jahrzehnten wohl wachsen. Als Folge des Klimawandels dürften Erdrutsche, Steinschlag, Felsstürze und Murgänge häufiger auftreten – und tendenziell mehr Schaden anrichten, da ein zunehmend feineres und teureres Geflecht aus Sied­­lungen und Infrastruktur die Alpen durchzieht. 

Vor diesem Hintergrund ist es nachvollziehbar, wenn nun Politiker aus den Bergkantonen vom Bund mehr Geld für die Gefahrenprävention fordern. Allerdings könnte es sich rächen, unter dem Eindruck aktueller Ereignisse wie dem Unfall in Tiefencastel oder den Überschwemmungen im Emmental immer mehr Schutzanlagen in die Landschaft zu stellen. Kostspielig ist nämlich nicht nur ihr Bau, sondern auch ihr Unterhalt; gerade in den Bergen sind Reparaturen häufig aufwendig und somit teuer. 

Eine vorausschauende Politik setzt sich deshalb zunächst zum Ziel, die bestehenden Anlagen bestmöglich instand zu halten. Erst dann spricht sie Mittel für neue Projekte – mit dem Auftrag, die Bauten so zu gestalten, dass sie in Zukunft zusätzliche Belastungen abfedern können, etwa mächtigere Murgänge als bisher bekannt. Verfallen die Politiker hingegen in Aktionismus, droht sich jener Fehler zu wiederholen, den die SBB begangen haben: Die Bundesbahnen haben während Jahren ihre Infrastruktur ausgebaut, aber zu wenig gepflegt. Das Resultat ist ein Sanierungsstau, der Milliarden kostet. 

Bund, Kantone und Gemeinden müssen also künftig vermehrt Projekte priorisieren. Dass die wichtigsten Verkehrsachsen in den Alpen Vorrang haben werden, ist absehbar. Kniffliger wird es, wenn für viel Geld der Zugang zu einem abgelegenen Tal (wieder) sicher gemacht werden soll. Spätestens dann müssen die Politiker Farbe bekennen: Wie viel ist die dezentrale Besiedlung der Schweiz wert?

Quelle: Tages-Anzeiger 16.8.14

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