Naturgefahren werden wohl augrund des Klimawandels in Zukunft
anwachsen. Beim Bau neuer Schutzbauten sollte aber der künftige
Sanierungsaufwand nicht vergessen gehen.
Das Zugunglück bei Tiefencastel hat vor allem etwas gezeigt: Es gibt
keinen absoluten Schutz vor Naturgefahren. Zwar können Tunnel,
Stützmauern und Galerien exponierte Passagen sicherer machen. Doch
potenzielle Gefahrenstellen sind selbst für Experten oft nur schwer
erkennbar. Beunruhigend: Ihre Zahl wird in den kommenden Jahrzehnten
wohl wachsen. Als Folge des Klimawandels dürften Erdrutsche,
Steinschlag, Felsstürze und Murgänge häufiger auftreten – und
tendenziell mehr Schaden anrichten, da ein zunehmend feineres und
teureres Geflecht aus Siedlungen und Infrastruktur die Alpen
durchzieht.
Vor diesem Hintergrund ist es nachvollziehbar, wenn
nun Politiker aus den Bergkantonen vom Bund mehr Geld für die
Gefahrenprävention fordern. Allerdings könnte es sich rächen, unter dem
Eindruck aktueller Ereignisse wie dem Unfall in Tiefencastel oder den
Überschwemmungen im Emmental immer mehr Schutzanlagen in die Landschaft
zu stellen. Kostspielig ist nämlich nicht nur ihr Bau, sondern auch ihr
Unterhalt; gerade in den Bergen sind Reparaturen häufig aufwendig und
somit teuer.
Eine vorausschauende Politik setzt sich deshalb
zunächst zum Ziel, die bestehenden Anlagen bestmöglich instand zu
halten. Erst dann spricht sie Mittel für neue Projekte – mit dem
Auftrag, die Bauten so zu gestalten, dass sie in Zukunft zusätzliche
Belastungen abfedern können, etwa mächtigere Murgänge als bisher
bekannt. Verfallen die Politiker hingegen in Aktionismus, droht sich
jener Fehler zu wiederholen, den die SBB begangen haben: Die
Bundesbahnen haben während Jahren ihre Infrastruktur ausgebaut, aber zu
wenig gepflegt. Das Resultat ist ein Sanierungsstau, der Milliarden
kostet.
Bund, Kantone und Gemeinden müssen also künftig vermehrt
Projekte priorisieren. Dass die wichtigsten Verkehrsachsen in den Alpen
Vorrang haben werden, ist absehbar. Kniffliger wird es, wenn für viel
Geld der Zugang zu einem abgelegenen Tal (wieder) sicher gemacht werden
soll. Spätestens dann müssen die Politiker Farbe bekennen: Wie viel
ist die dezentrale Besiedlung der Schweiz wert?
Quelle: Tages-Anzeiger 16.8.14
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